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Dammbruch beim Lohberger Nord-Becken

Am 6. Februar brach kurz nach 16 Uhr plötzlich der etwa 6 m hohe Damm des Nord-Beckens der Schachtanlage Lohberg in einer Breite von rund 20 m. Die allgemeine Situation ergibt sich aus der Geländekarte (Abbildung 1). Man sieht hier ins­gesamt fünf größere oder kleinere Teiche, die durch Dämme künstlich gestaut sind: sie heißen Süd-Becken, Ziegelei-Becken, Kaiser-Becken, Wald-Becken und Nord-Becken. Ihre Aufgabe besteht darin, das aus der Lohberger Wäsche kom­mende trübe Wasser durch Ablagerung der im Wasser enthalte­nen Schlammteilchen zu klären. Die Schachtanlage Lohberg hat eine moderne vollautomatische Kohlenwäsche, in der auch die feinsten Kohlenteilchen aufbereitet, d. h. von Bergen (in diesem Falle Gesteinstaub) getrennt und damit für die Kokskohle nutzbar gemacht werden. Man nennt den Teil der Kohlenwäsche, in dem das geschieht, die Flotation. Über den technischen Vorgang ist in früheren Ausgaben unseres „För­derturm" ausführlich berichtet worden. Das aus der Flota­tion kommende Wasser ist stark angereichert mit feinsten Steinstaubteilchen. Man nennt es deshalb eine „Schlamm­trübe". Diese Schlammtrübe enthält auch noch einen gewissen Teil von Kohlesubstanz. Deshalb sieht sie schwarz wie Tinte aus. In den erwähnten Staubteichen kommt die Schlammtrübe zur Ruhe; dabei setzen sich die Schlammteilchen am Boden nieder, während das geklärte Wasser durch einen sogenannten Mönch (Abzugschacht mit Ausflußöffnungen) aus dem Teich abgelassen wrd und durch einen Abflußgraben (er verläuft parallel zur Lohberger Grabenstraße) dem Rhein zufließt. Der abgesetzte Schlamm wird in gewissen Zeitabschnitten aus­gebaggert und abgefahren, womit dann dieser Teich wieder frisch aufnahmefähig wird. Es arbeiten also immer mehrere Klärteiche zusammen, von denen einige gefüllt werden und einige leergeräumt werden bzw. in Reserve stehen. Der Dammbruch ereignete sich am Nord-Becken. Das ist eins der kleineren Klärbecken und noch ziemlich neu: der Damm steht seit zwei Jahren. Seine Sohlenbreite ist 30 m, seine Höhe 6 m, und auf der Dammkrone ist er 5 m breit. Form und Aufbau des Dammes im einzelnen sind aus der Schnittzeich­nung (Abbildung 2) ersichtlich.
Das Nord-Becken, das auf seiner Sohle eine Fläche von rund 20000 ma einnimmt, hat ein Fassungsvermögen von rund 100000 m3. Zur Zeit des Dammbruchs betrug die Füllhöhe aber nur rund drei Meter; das Becken war also knapp zur Hälfte gefüllt. Ausgelaufen ist etwa ein Meter von der Füllhöhe, so daß sich also insgesamt rund 20000 m3 Schlammwasser ge­waltsam aus dem Nord-Becken befreit haben. Abbildung 3 zeigt den Dammdurchbruch. Er ereignete sich trotz täglicher und sorgfältiger Deichbeobachtung ohne Vorwarnzeichen so plötzlich, daß man wohl mit Recht von einer allgemeinen Überraschung sprechen kann. Diese Überraschung war aller­dings alles andere als erfreulich. Die trübe Wasserwelle staute sich zunächst an der Ziegelsteinmauer, die den Holzplatz der Schachtanlage Lohberg umgibt. Sie durchbrach dann die Mauer, riß eine ganze Anzahl von Holzstempeln mit sich, staute sich erneut am Gegenzug der Ziegelsteinmauer, durch­brach auch diese und wälzte sich dann mit großer Geschwin­digkeit über das Gelände des Knappenheims Lohberg, das also die unangenehme Überraschung gewissermaßen aus „erster Quelle" erhielt. Im Lohberger Knappenheim stand die Flut­welle kurzfristig etwa 80 cm hoch. Sie hat an den hell getünch­ten Häusern einen wie mit dem Lineal gezeichneten schwarzen Sockel hinterlassen. In die Häuser selbst ist allerdings nicht allzu viel hineingekommen, weil die Türen geschlossen waren und dicht hielten bzw. von den geistesgegenwärtigen Knappen mit Tüchern von innen abgedichtet wurden. Der Keller unter dem Küchenhaus aber lief voll, wodurch zeitweise die Heizung außer Betrieb gesetzt worden ist. Vom Knappenheim aus strömte die trübe Flut über die Hünxer Straße und in Teile der Lohberger Bergmannssiedlung hinein. Betroffen wurde hauptsächlich die Grabenstraße, etwa die Verlängerung der Zufahrtsstraße von der Hünxer Straße zum Knappenheim. Die Überflutung dieser Straße erfolgte gleichzeitig von der Hünxer Straße her und vom Lohberger Entwässerungsgraben aus, der stellenweise über seine Ufer getreten ist, weil er das Schlammwasser nicht schnell genug fortleiten konnte. Das konnte er schon deshalb nicht, weil er für die Ableitung von geklärtem Wasser, nicht aber von Schlammwasser bestimmt und berechnet ist.
In der Grabenstraße sind die Keller von 21 Häusern mehr oder weniger vollgelaufen. Außerdem war naturgemäß der An­blick dieses Teils der Lohberger Siedlung und auch der an­grenzenden Felder alles andere als erfreulich: nachdem sich das Wasser verhältnismäßig schnell verlaufen hatte, verblieb eine mehrere Zentimeter dicke häßliche Schlammschicht, die viel Arger verursacht. Es ist durchaus verständlich, wenn die Lohberger Bergleute über diesen Vorfall nicht gerade beglückt gewesen sind und jetzt danach fragen, wie so etwas geschehen konnte und was man zu tun gedenkt, damit sich der Ärger nicht wiederholt.
Was zunächst den angerichteten Schaden betrifft, so sind wir alle froh darüber, daß kein Personenschaden eingetreten ist. Bei den Sachschäden muß man unterscheiden zwischen dem Schaden, der bei der Zeche selbst entstanden ist, und dem Schaden, der durch die freigewordene Schlammtrübe am Privateigentum der Lohberger Einwohner entstanden ist. In einer Belegschaftsversammlung hat der Vorstand er­klärt, daß er ganz unabhängig von der Aufklärung der Schuld­ursache diesen Schaden wiedergutmachen will. Entsprechende Erhebungen wurden sofort eingeleitet und Vorauszahlungen geleistet. Zu dem Zeitpunkt, als dieser Bericht geschrieben wurde, waren die Schadensermittlungen noch nicht zum Ab­schluß gekommen. Man kann aber überschlägig mit einem Schaden in der Größenordnung von rund 300000 DM rechnen. Selbstverständlich wird auch nach den Ursachen des Damm­bruchs sehr sorgfältig geforscht. Bevor die Untersuchungen der Sachverständigen zu einem klaren Ergebnis geführt haben, kann man nur Vermutungen aussprechen. Sie müssen von der Tatsache ausgehen, daß der Damm und sein Fundament — das sogenannte Deichlager — nach Voruntersuchungen in einem wissenschaftlichen wasserbaulichen Institut auf der Grundlage des technischen Gutachtens eines hervorragenden und international anerkannten Fachmanns gebaut worden sind. Auch bei der Bauausführung des Dammes und bei seiner laufenden Überwachung sind weder Mängel noch Voranzeichen eines Dammbruchs festgestellt worden. Möglich ist es, daß die Ursachen des Dammbruchs im Untergrund liegen, obwohl auchhier eingehende Bodenuntersuchüngen stattgefunden haben, die nicht auf irgendwelche Ausflußstellen im Unter­grund schließen lassen. Behauptungen, daß der Deich über einen alten Wasser­sumpf hinweg gebaut worden sei, stimmen nicht. Diese Sumpfstelle liegt, wie die vorliegenden Fotografien aus der Bauzeit beweisen, mitten im Innern des Beckens. Wahrscheinlich wird eine ganze Anzahl Ursachen zusammengekommen sein, von denen jede für sich verhältnismäßig harmlos gewesen sein mag, die aber dann in ihrer Sum­mierung zu dem betrüblichen Damm­bruch geführt haben. Er wird eine Mahnung mehr dafür sein, vor Wiederfüllung des Nord-Beckens zusätzliche Garantien dafür zu schaffen, daß ein Dammbruch sich auf keinen Fall wiederholen kann. Auf die Klärteiche verzichten kann die Schachtanlage aber nicht. Sie bilden, wie sich aus den einführenden Bemerkungen ergibt, eine Lebensgrundlage für die Arbeit der Schachtanlage. Damit die Flotation und die davon abhängige Förderung der Schacht­anlage weitergehen kann, soll nunmehr zunächst in dem Tei­chen nordöstlich des Wald-Beckens eingespült werden. Diese Arbeit ist völlig gefahrlos. Die nördlichen und südlichen Wände des dort jetzt als Ersatz für das Nord-Becken neu entstandenen „Tal-Beckens" werden durch die natürlich gewachsenen Talböschungen gebildet, die nicht durchbrechen können. Nach Westen hin wird das Tal-Becken durch das bis oben hin mit abgetrockneten Schlammassen prallgefüllte Wald-Becken gesichert. Der Siedlungsverband Ruhrkohle­bezirk als Grünflächen- und Waldschutzbehörde hat sich an­gesichts der herrschenden Notlage mit dem Tal-Becken ein­verstanden erklärt und seine bisherigen Bedenken gegen die dadurch verursachte Abholzung einer gewissen Waldfläche zurückgestellt unter der Voraussetzung, daß der Wald nach Füllung des Beckens in etwa drei bis vier Jahren neu an­gepflanzt wird.


Ziemer

Aus: "Der Förderturm, März 1962"



 

 

Abb 1
Abb 1: Lageplan der Klärteiche

Abb 2
Abb 2: Schnitt durch den Damm des Nord-Beckens

Abb 3
Abb 3: Die Bruchstelle